Glocken
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Gespräch mit Gerd Meyerhoff

Rolle in der Stadt / Glocken

Wenn Jakobi fertig ist und ein volles Programm hat, ist dann die Vorstellung so, dass sich das Angebot mit den anderen beiden großen Kirche ergänzt z.B. bei den Orgeln oder ist es Konkurrenz ?

Nein, es ist keine Konkurrenz, im Gegenteil. Es gibt jetzt den Verein Baltisches Orgelzentrum e.V. (BOC), der im Rathaus gerade eine Ausstellung eingerichtet hat. Der baut darauf, dass Stralsund mit den drei historischen Großorgeln unvergleichlich dastehen wird. In Marien mit der Stellwagen-Orgel aus den 1650-er Jahren kann die frühe barocke Literatur dargestellt werden, in Jakobi würde man, nach jetzigem Stand, die Mehmel-Orgel von 1870 rekonstruieren, das ist dann das jüngste Instrument - allerdings in barockem Gehäuse - denn Mehmel hat um 1870 seine Orgel in diesen fantastischen Prospekt eingebaut. Und das heißt, man könnte dort spätromantische, moderne Orgelmusik aufführen. Und die Buchholz-Orgel von um 1840 in St. Nikolai füllt dann den Raum dazwischen.

Und auch andere Konzerte ergänzen sich ?

Ich denke, für die nichtkirchlichen Veranstaltungen ist es keine Konkurrenz. Die Durchführung von Veranstaltungen ist in den anderen Kirchen nicht unproblematisch. St. Nikolai ist voller Kunstwerke, da muss man ziemlich vorsichtig sein, und für Marien gilt das eigentlich auch. Ich denke, man kann in Jakobi wirklich ein bisschen mehr machen als in den anderen Kirchen.

Inwieweit wirkt sich auch die Veranstaltungen die Tatsache aus, dass es sich um einen Kirchraum handelt ? Kommen vielleicht Künstler gerade deswegen nach St. Jakobi

Ich glaube, dass die Kirche mit diesem Eindruck - es ist alles noch unfertig, teilweise wirkt es auch ruinös - eine gewisse Attraktivität hat. Das gibt es woanders nicht. Und wir denken darüber nach, dass man nach der Renovierung ein bisschen davon behält. So ein Raum verändert sich natürlich, das heißt, es wird sicherlich gereinigt, gefestigt, konsolidiert werden, aber man kann hier nach etwas anderen Maßstäben vorgehen als in den anderen Gemeindekirchen.

Sollten also z.B. die Isolatoren in einem Pfeiler bleiben ?

Ja - das ist ein gutes Beispiel. Zumindest kann man sich das überlegen, ob man sie lässt. Diese Punkte sind in der denkmalpflegerischen Zielstellung noch nicht detailliert festgelegt. Der Förderverein hat bereits gefragt: »Können wir nicht schon mal eine von diesen Orgelskulpturen restaurieren, als Proberestaurierung ?«. Da bin ich noch etwas zurückhaltend, weil ich denke, genau so etwas muss ja Teil einer denkmalpflegerischen Konzeption auch sein. Wie wird sich hinterher der Raum darstellen? Was macht man mit den Wänden? Wie perfekt darf ich dann die Ausstattung restaurieren? Es soll ja alles harmonieren. Im Moment sind da wenige Missklänge drin. Vieles ist ein bisschen gruftig. Das muss natürlich nicht genauso bleiben, aber ich denke, wenn der Raum so ein bisschen »rauer« bleibt, dann ist es vielleicht nicht unbedingt sinnvoll, die Orgel auf Hochglanz zu trimmen. Es darf dann vielleicht eine Note zurückhaltender sein - so will ich es mal ausdrücken. Und das sind Regeln, die z. B. in der Marienkirche anders ausgelegt würden. Da ist eine andere Balance zu wahren. Auch für Marien haben wir durchaus Diskussionsbedarf in welcher Form wird sich künftig die Ausmalung repräsentieren. Da ist es wahrscheinlich so, dass wir die originale Ausmalung repräsentieren können, dann aber eben auch mit Verlusten. [4]

Das heißt, die wird auch so bunt wie Nikolai ?

Nein, eben nicht. Weil die Ausmalung verblasst ist, und das kann man ja auch ruhig sehen. Das ist eben alt und wir versuchen gar nicht erst, es neu erscheinen zu lassen. Das spricht durchaus mit im Raum und das ist, denke ich, wichtig.

Und in Jakobi sind sicherlich auch Ausmalungen unter der Farbe.

Es sind sehr viele Fassungen, auch übereinander, aber es ist erstmal grundsätzlich die Frage: Müssen wir das freilegen oder kann es drunter bleiben ? Wir sind überhaupt nicht gezwungen - vom Ästhetischen jedenfalls - eine Freilegung zu machen.

Ist der Name »Kulturkirche« eine bewusste Wahl ?

Bei diesen Diskussionen bin ich nicht dabei gewesen. St. Jakobi war schon Kulturkirche als ich damit zu tun bekam und ja - »Citykirche« - dafür sind wir nicht City genug. Kulturkirche kann man schon zu Recht sagen.

Welche Rolle hat Jakobi ihrer Meinung nach für die Stadt ?

Zum einen sehe ich die Stadtlandschaft als Gesamtkunstwerk. Wenn man in Altefähr steht und die großen Kirchtürme sieht, erkennt man, dass sie in ihrer Anordnung aufeinander bezogen sind. Schon in ihrer ursprünglichen Form, also mit den mittelalterlichen Spitzen war es sicher so, aber ich denke, es ist auch mit den barocken Helmen sehr gut nachvollziehbar, dass es ein stimmiges Bild ergibt. Zunächst wurden die Kirchen errichtet, und später folgten die Turmbauwerke. Für St. Jakobi hatte ich ja schon gesagt, der heutige Westturm bereits der zweite ist. Für St. Nikolai gilt das bedingt auch, da die Kirche ja mit einem einfachen Westturm begonnen wurde, der auch noch im Bauwerk steckt. Dieser Westturm ist dann umgebaut worden in die Zweiturmanlage. Und auch der heutige Westturm der Marienkirche ist bereits der zweite.

Gerade wegen der Kirche kommen sicher viele Touristen hierher. Doch noch: Welche Rolle spielt das Programm von St. Jakobi im Hinblick auf die Stadt ?

St. Jakobi ist der einzige Ort in der Altstadt, wo große Jazzkonzerte stattfinden können, wo auch mal ein Weihnachtsmarkt stattfinden konnte - der Rathauskeller war ja lange Zeit nicht zur Verfügung. Als Spielstätte des Theaters und auch für Chorkonzerte des Theaters hat St. Jakobi bereits Bedeutung gewonnen. Das Theater freut sich über diesen Raum, die finden ihn ganz großartig.

Sind Glocken im Turm ?

Ja, zwei alte Glocken aus dem 17. und 18. Jahrhundert [5]

Sind die bespielbar ?

Sie können sie am 24. Juli hören. Dann gehe ich wieder läuten. [6]

Also kein elektrisches Läutewerk ?

Nein, die große Glocke kann man mit einem Seil läuten, eine wunderbare Glocke. Neulich war ich mit dem Glockensachverständigen der Pommerschen Evangelischen Kirche oben. Es handelt sich bei den Glocken um einen Teil des Stadtgeläutes. Ich vermute, dass die Glocken aufeinander abgestimmt sind.

Wie ist es im Winter ?

Kalt.

Heizung ?

Nein, es ist einfach so, man muss das sagen. Der Gustav-Adolf-Saal dagegen wird durchgehend nutzbar sein - das Kirchenschiff derzeit im Winter nur, wenn man bereit ist sich entsprechend warm anzuziehen.

War der Abriss der Kirche nach dem 2. Weltkrieg mal Thema ?

Ich habe so etwas gehört, aber ich kenne nichts Schriftliches dazu. Vermutlich man hat darüber nachgedacht. Anfang der 1950-er Jahre ist die Jakobikirche (nach den Bombenschäden) aber schon wieder hergestellt worden, deswegen glaube ich eigentlich nicht, dass es danach ernsthaft wieder Thema war. Und im Gegensatz zu Wismar (wo St. Marien um 1960 gesprengt wurde) gehören die Kirchengebäude hier den Kirchengemeinden und nicht der Stadt [7] . Die Wismarer Marienkirche würde sonst vielleicht auch noch stehen.

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[4] Die Ausmalung im Langhausmittelschiff St. Marien wurde im Jahr 2006 in dieser Form konserviert.
[5] Die größere Glocke 1707 von Kleymann, Lübeck, die kleinere 1740 von Wosaeck, Stralsund
[6] 2007 wurde festgestellt, dass das Läuten der großen Glocke ein zu großes Risiko darstellt, es soll bis auf Weiteres nicht mehr stattfinden
[7] Für St. Jakobi gilt dies bis 2003, seitdem ist das Bauwerk Eigentum der Stiftung

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